Sonntag, 16. August 2015

Die Randstad auf dem Rad – mit Sack und Pack und Familie

In der nun schon dritten Saison ist die Randstad mein sportliches Zuhause. Etwa 10.000 km habe ich in dem Gebiet zwischen Den Haag, Rotterdam, Utrecht, Amsterdam und Leiden zusammengekurbelt – ohne meine Familie. Dabei gibt es so viele schöne Ecken hier, die man per Auto nur schwer oder gar nicht erreichen kann. Das Fahrrad ist das perfekte Verkehrsmittel, einen guten und umfassenden Eindruck von der Gegend zu bekommen. Also muss die Familie mal mitkommen. Die 240 km lange Strecke durch die „innere Randstad“ (der Raum zwischen den oben genannten großen Städten) ist für mich zwar an guten Tagen nonstop mit dem Rennrad zu fahren, für die Familie kann man da aber einen prima einwöchigen Urlaub draus machen: vier Tage auf dem Rad und Familienprogramm an den Tagen dazwischen. Am 8. August 2015 sollte das kleine Abenteuer beginnen. Noch nie ist Anne soviel Rad gefahren, noch nie haben Julia und Fabian so lange im Hänger gesessen. Mit großer Spannung schauen wir dem Beginn der Reise entgegen. Der Wetterbericht verspricht tolles hochsommerliches Wetter, schonmal eine Sorge weniger.

Etappe 1

Mit Rückenwind fahren wir von Den Haag nach Hoek, ungewöhnlich, und Glück für Anne, entspannendes Einrollen zu Beginn. An Maasluis vorbei geht es Richtung Vlaardingen. Am Krabbeplas nach knapp über der Hälfte der Strecke war eigentlich eine Spiel- und Badepause eingeplant. Doch was ist das, sieht aus wie ein Festival, haben die etwa den Strand mitsamt Strandcafe blockiert? Im Abschätzen des Ausmaßes des Festivals aus der Ferne setze ich mein Rad samt Hänger fast in den Graben. Was für ein Schreck, in ziemlicher Schräglage hänge ich knapp oberhalb der Wasserlinie mit meinem Boliden und zwei schreienden Kindern im Anhänger. Anne hilft uns dreien wieder zurück auf die Straße, es ist zum Glück nix passiert. Baden können wir aber nicht nur wegen dem Festival nicht: Blaualgenalarm. So gibt’s nur eine Spiel- und Esspause, und weiter geht’s. Nach einer weiteren Eis- und Getränkepause am Schieweg nehmen wir das letzte Stück in Angriff. Pünktlich um 17 Uhr erreichen wir unsere Herberge für die nächsten zwei Nächte. Es ist ein Boot, nein, ein toll renoviertes altes Amsterdamer Fährschiff. Was für ein Glück, diesen Pott „geschossen“ zu haben.

Einziehen, einkaufen, und dann erstmal ein Schmutzbier,  in guter alter Hongkong-London Tradition, mit besten Grüßen an Volker Häring und China by Bike. Wenig später genießen wir unser Abendessen auf dem Deck des Schiffes, schauen den Schiffen und Wassertaxen zu, die unsere Unterkunft gut in Bewegung halten, es schwankt doch manchmal ganz ordentlich. Die Nacht wird dann unruhig, viele Mücken, dazu ziemlich laute Nilgänse auf dem Steg gegenüber, und überhaupt muss man sich an das Schlafen auf einem Schiff erstmal gewöhnen.

Den Sonntag verbringen wir im Rotterdamer Zoo, ein sehr schöner und abwechslungsreicher Zoo, mit dem wohl besten Spielplatz ever. Sieben Stunden sind wir dort unterwegs (Julias bester Freund Rolando mit Familie ist auch mit dabei).

Etappe 2

Am nächsten Tag ist die zweite Radetappe vorgesehen. Während die Familie noch ein bisschen Verpflegung für den Tag kauft, schleppe ich das Gepäck vom Schiff nach oben zu den Rädern. Das Beladen verzögert sich dann aber, weil meinem Hinterrad über Nacht die Luft ausgegangen ist. Nach Reifen flicken kommen wir um 12 Uhr los, reichlich spät.

Erst fahren wir an der Rotte entlang, dann ein Stück über Land zur Ijssel, der wir dann bis Gouda folgen. Leider sehen wir von der Ijssel selbst herzlich wenig, denn der Radweg läuft am Fuß des Dammes entlang, mit Blick auf die ausgedehnten Wiesen und Weiden. In Gouda halten wir dann eine späte Mittagsrast. Überraschenderweise will keines der Kinder ein Eis. Ich rufe ein paar Gerichte in den Raum, die sich vermutlich am Marktplatz finden lassen. Als ich das Wort Pizza in den Mund nehme, gibt’s kein Halten mehr. Also beehren wir einen Italiener, und machen uns später mit vollen Bäuchen auf die letzten 30 km nach Harmelen. Richtung Reeuwijkse Plassen fahren wir auf schmaler Straße, links Wasser, rechts Wasser. Ausweichen ist nicht möglich, ziemlich spektakulär. Der Rest nach Harmelen verläuft dafür umso unspektakulärer, nur Weideland entlang der A12, eine klassische Überführungsstrecke.

In Harmelen, unserem heutigen Ziel, haben wir im (soweit ich weiß) einzigen Hotel am Ort (Het Wapen Van Harmelen) ein Zimmer gebucht. Es erwartet uns ein schönes Zimmer, sehr hilfbereites Personal (wir parken die Räder und den Hänger im kleinen Saal des Hotels), gutes Essen, und eine prima Bierauswahl. So kann der Tag gut ausklingen…

Am Tag darauf wird es königlich, denn wir besuchen das Kasteel de Haar. Mit kindertauglicher Schlossführung, Schnitzeljagd durch den Schlossgarten und Essenspause im Café kann man als Familie ziemlich viel Zeit verbringen. Spannend, und noch nicht geklärt: die Bewohner des Schlosses hören auf den gleichen Namen wie mein favorisierter Whiskyladen in Den Haag (van Zuylen) – wo besteht der Zusammenhang?

Etappe 3

Am Mittwoch (12.08.) ist es erstmals auf dieser Tour ziemlich bewölkt, es gibt auch Hinweise auf Gewitter im Tagesverlauf, es wird doch wohl nicht… Wir brechen gegen 11 Uhr auf, fahren nach Maarssen und dann an der Vecht Richtung Amsterdam. Viele Herrenhäuser und große Boote sorgen für Abwechslung. Später geht’s dann Richtung Amstel, durch ein wahres Gewirr von Kanälen. Hier heisst es immer auf der richtigen Seite des Kanals zu sein, sonst radelt man kilometerweise Umwege, da spricht die leidvolle Erfahrung… Es fängt tatsächlich an zu regnen, jedoch nicht doll, es ist kein Gewitter. Und in Uithoorn ist es auch schon wieder vorbei. Das muss gefeiert werden, bei einem verdammt leckeren Eis am Ortseingang, mit Blick auf die Amstel und die Drehbrücke.

Mit Rückenwind geht es die letzten Kilometer an der Amstel entlang zum Sfeerstal, ein Bed & Breakfast Hotel mitten im Grünen, in einem wunderschönen Garten mit Spielplatz. Dass es mitten in der Einflugschneise von Schiphol liegt, macht zuerst skeptisch. Das ist jedoch vollkommen unnötig, weil es nachts herrlich ruhig ist. Und tagsüber stört es auch nicht.

Den letzten Brückentag verbringen wir im nahegelegenen Schwimmbad. Ok, schwimmen funktioniert nicht wirklich, es ist einfach zu voll. Aber zum Plantschen, Rutschen etc. reicht es allemal. Fabian ist gar nicht wieder aus dem Wasser zu kriegen. Auf dem Heimweg schläft er ein und ist dann fast nicht mehr wachzukriegen am Abend, es war wohl doch anstrengend. Nach einem Abendessen auf der Terrasse (wir sind die einzigen Übernachtungsgäste) und einer ausgedehnten Trampolineinheit geht es in eine unruhige Nacht. Heftige Gewitter entladen sich, und der folgende Tag verspricht auch regnerisch zu werden.

Etappe 4

Wir beginnen den Tag mit einem phantastischen Frühstück – ich weiß nicht, ob für Bed & Breakfast auch Sterne vergeben werden, aber Sfeerstal hätte Höchstnoten verdient, toll was hier geboten wird: frischgepresster Orangensaft, selbstgemachte Marmelade, und diverse Brot-, Käse- und Wurstsorten, dazu noch leckerster hausgemachter Kuchen. Mittlerweile hat es auch aufgehört zu regnen, und wir machen uns um 10:30 Uhr auf die Socken, auf nach Hause, mit dem Wind im Gesicht. Der Bauernhof am Zoetermeerseplas markiert etwa Streckenhalbzeit. Genau die richtige Gelegenheit für die Kinder, sich die Beine zu vertreten, Kälbchen zu streicheln, Ziegenbabys zu füttern, und sich selbst zu füttern. Wenig später spürt man so langsam Euphorie aufkommen, denn die Skyline von Den Haag erscheint am Horizont, das Ziel fast zum Greifen nah. Kurz vor 16 Uhr ist es geschafft: Wir sind wieder daheim, die Freude ist groß, und der Stolz auch.


Wir haben eine phantastische Woche in der Randstad gehabt, tolles Wetter, tolle Landschaft, tolles Essen erlebt und viel gesehen. Das erste Mal, dass wir sowas zusammen als Familie gemacht haben, und es hat alles prima geklappt. Julia, die vorher sehr skeptisch war, hat es als den tollsten Urlaub überhaupt bezeichnet. Anne hat sich nicht nur sehr wacker geschlagen, sie hat sehr gut mitgehalten, und ich denke, wir waren relativ zügig unterwegs, mussten immer wieder auch andere Radfahrer überholen, die ohne Gepäck unterwegs waren. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit spiegelt das nicht 1:1 wieder, weil es immer wieder auch Passagen gab, die den Schnitt nach unten gedrückt haben: steile Brücken, Doppelbarrieren inklusive Umtragen, langsame Ortsdurchfahrten, etc. 


Etappe
Kilometer
Fahrzeit
Durchschnitt
Den Haag – Rotterdam
63,1 km
3:45 h
16,8 km/h
Rotterdam – Harmelen
57,9 km
3:39 h
15,9 km/h
Harmelen – Sfeerstal
60,7 km
3:44 h
16,2 km/h
Sfeerstal – Den Haag
57,4 km
3:42 h
15,5 km/h
Gesamt
239,1 km
14:50 h
16,1 km/h



Wer die Tour selber nachfahren möchte, die gpx Datei der vier Etappen zum Download.


Die Anfahrt auf Rotterdam, letzter Navigationsstopp und dann geht’s ab in die Stadt.


Unser Schiff für zwei Nächte, morgens der Blick aufs Deck…


…und die Familie beim Frühstück auf Deck.


Auf der Fahrt zum Zoo passieren wir die Rotterdamer Skyline, mit der Erasmusbrücke.


Schmetterlinge ganz nah, im Schmetterlingshaus des Rotterdamer Zoo.


Abendsonne auf unserem Schiff, so lässt sichs aushalten.


Und auch Fabi hat seinen Spaß, mit ein paar Enten und Plastikschiffen.


Auch unter Deck ist es sehr gemütlich, tolles Schiff.


Späte Mittagspause in einer Pizzeria auf dem Marktplatz in Gouda…


…in Sichtweite des altehrwürdigen Stadhuis.


Hinter Gouda fährt man über viele Kilometer auf schmalen Straßen durch ein Wasserparadies, mit handbetriebenen Klappbrücken.


Wasser gibt es auch danach noch genug, kurze Pause in Driebruggen.


Das Kasteel de Haar bei Utrecht ist sehenswert.


Umgeben von diversen Gärten…
…und natürlich auch wieder nah am Wasser gebaut.





Weiter geht’s durch die Außenbezirke von Utrecht, und auch wir müssen mal vor einer Klappbrücke warten, an der Vecht in Maarssen.


An der Vecht bei Breukelen.


Und noch mehr Wasser, die Oude Waver, ein Nebenfluss der Amstel.


Die Amstelfähre in Nessersluis bei Uithoorn, kurzes aber spannendes Intermezzo für die Kinder.


Der Sfeerstal in einem traumhaften Garten, Blumen ohne Ende.


Für die Kinder war das Trampolin im Garten allerdings wesentlich attraktiver.


Abstecher in den Kerkpad bei Papenveer, 10 m breit Land durch die Langeraarse Plassen.


Fast geschafft, von Stompwijk sind es noch etwa 20 km bis nach Hause.

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