Sonntag, 5. Mai 2013

Hungergames in Holland – Warum man bei Toertochten immer genügend zu essen dabeihaben sollte

Classico Boretti ist die vierte Toertocht in vier Wochen, und gleichzeitig sowas wie der Abschluss des Radfrühjahrs: nächste Woche Urlaub ohne Rad, dann Feinschliff für Leiden (Laufen), dann erwarten wir ein Baby was mit Radlangstrecken schwierig in Einklang zu bringen sein wird…Und endlich mal wird das Frühjahr seinem Namen wirklich gerecht. Das Wetter in den letzten Wochen war zwar toll, mit viel Sonne, aber immer noch mit empfindlich kühlem Wind von der eiskalten Nordsee. Am Start in Hoofddorp entledige ich mich der Beinlinge und los geht die Reise. 

Mit weit über 5.000 Radlern geht’s zunächst Richtung Schiphol. Ich arbeite mich sukzessive nach vorne, überhole Gruppe um Gruppe bevor ich zum ersten Mal überholt werde. Einige Zeit später kommt eine weitere Gruppe von hinten und jetzt sind wir zum ersten Mal am Wasser. Ohne kompliziertes Radwegschnickschnack geht es für viele Kilometer immer am Wasser lang, auf richtigen Straßen und kaum Autos. Rote Ampen werden von freundlichen Helfern "beschützt", sodass wir Radler eine immer grüne Welle haben, toll. 

Die Jungs haben richtig Zug drauf: nach 1,5 Stunden hab ich nen 34er Schnitt auf der Uhr, wenn das so weitergeht…und wir stehen in einer Baustelle, verfahren, wie das. Zurück, und auf einmal wollen die Jungs wohl die verlorene Zeit aufholen, drücken mächtig aufs Gas, zu mächtig. Mit Ach und Krach bleibe ich dran bis wir eine größere Gruppe erreichen, nur um dann festzustellen, dass hier weitergeprügelt wird, ohne mich. 

Dann das nächste Mal verfahren, schnell sammeln sich 30-40 Fahrer und grübeln über den weiteren Streckenverlauf. Es ist aber auch schwer, soviele Radwege und Nebenstraßen, die manchmal von Kreuzungen abzweigen, da ist selbst ein Pfeil nicht eindeutig genug. Nach 2 Stunden die letzte Streckenteilung, nun sind die 165er unter sich. Bisher gab es immer noch keinen Verpflegungspunkt, mmh, bei dieser großen und auch nicht ganz billigen Tour habe ich schon damit gerechnet. Meine Vorräte sind minimal, zu wenig für 165 km. Ich beginne sie trotzdem zu vernichten, bringt ja nix. 

Nach 3,5 Stunden sind 115 km gefahren, und meine Vorräte am Ende. Außerdem frischt der Wind auf, der mir manchmal auch ordentlich ins Gesicht pustet. Das werden harte 50 km. Ne halbe Stunde später fängt mein Magen an zu knurren, der Puls ist schon länger angestiegen, ich fahre auf Reserve. Und während ich mich schon damit abgefunden habe, dass es ein Hungerexperiment wird, kommt sie doch noch, bevoorading heisst das hier, oder so ähnlich. Ist zwar sehr sparsam ausgestattet, aber Hunger treibt selbst ein Rosinenbrötchen rein. Dazu ne Banane, und pipigelbes Isozeugs, und weiter geht’s. 

Und es war als wie wenn man einen Schalter umlegt, oder Reisig in die Glut wirft, es geht wieder was. Puls geht runter, Energieschub, nicht mehr so rund wie in den ersten zwei Stunden, aber immerhin. Die letzten 15 km sind dann eher zäh. Nach Zusammenführung mit der kurzen Strecke wird es eng auf dem Radweg, und die Geschwindkeitsdifferenzen groß. Da ist wieder volle Konzentration gefragt, bei immer noch wechselnden Winden. Dann bin ich drin. Die Zielverpflegung ist prima: jeder bekommt einen Energydrink nach Zieldurchfahrt, und einen Pott Nudeln gibt’s obendrauf. Dann geht’s auf nach Hause. 165 Classico Boretti, plus insgesamt 22 km An- und Abfahrt, der Tag hat sich gelohnt.

Achja, 2 Beobachtungen noch zum Schluss. Erstens, kaum Radler nehmen die Dienste der Bahn in Anspruch. Während man in Berlin selbst bei 200 Teilnehmern die Herrschaften schon in der S-Bahn traf, gibt es nichts entsprechendes bei der 30 fachen Besetzung. Stattdessen stapeln sich auf dem kostenlosen Parkplatz die Autos, dass es nur so kracht. Und große Gruppen von Radfahrern sind auch selten bis nicht existent. Während man in Berlin schonmal ein 200er Feld en bloc durch die Lande ziehen sieht, bestimmen hier die vielen Vereine und Firmengruppen das Bild und die Gruppen. Finde ich persönlich sehr viel angenehmer.

Letzendlich waren das vier spannende Touren, vom Amstel Gold Race bis zum Classico Boretti, habe viel gelernt, viele schöne Strecken kennengelernt, hat sich auf jeden Fall gelohnt.