Mittwoch, 16. Juli 2014

Les Trois Cols - Leider steil

Urlaub 2014 - mal wieder Frankreich, mal wieder Alpen, wo könnte man besser hinfahren als ins Ubaye Tal. Wir landen in Jausiers, in einer Ferienwohnung direkt am Fuß des Col de la Bonette, direkt ums Eck eines Kletterparks und eines Sees - wie gemacht für einen Familienurlaub mit Radanschluss. Vor 16 Jahren war ich schonmal in der Gegend, und freute mich auf alte Bekannte, Passstraßen wohin das Auge blickt...

Kreuzung in Jausiers, hinter mir der Bonette, rechts Col de Vars, Col de Larche und Ste. Anne, links nach Barcelonnette - Ausgangspunkt der Trois Cols (CC BY-SA).

Nach drei Jahren ohne Alpen stand an diesem 15.7.2014 die erste Passfahrt an. Zum warm up habe ich mir die Trois Cols rausgesucht, vor 16 Jahren beim letzten Besuch ein Saisonhöhepunkt, heute der Auftakt. Um es gleich vorwegzunehmen: die Styrkeproven zu bestehen ist eine Sache, an einem Tag 140 km durch die Alpen zu radeln, garniert mit drei stattlichen Pässen, ist eine andere Sache, und nicht unbedingt leichter. Willkommen zurück auf dem Boden der Tatsachen.

Nach 12 km warmfahren erreiche ich den Fuß des Col d'Allos. Die offizielle Messung beginnt am Abzweig nach Pra Loup, der Kilometer vorher geht aber auch schon ordentlich bergauf, also 17,4 km Passfahrt. Die Schleife von Agneliers war mir in bester Erinnerung, die dem ohnehin spektakulären Allos das gewisse Etwas verleiht. Eine Straße als kleine Rinne in einer unbezwingbaren Felswand, und nach 6 km steiler Bergfahrt öffnet sich rechts das Tal Richtung Agneliers. Die Steigung geht jetzt etwas zurück, sodass man die Landschaft in vollen Zügen genießen kann, grandios. Leider trügt mich meine Erinnerung, der Scheitelpunkt der Schleife ist gerade mal auf etwa halber Strecke zur Passhöhe, ein weiter Weg nach oben. Mit letzten Blicken auf die Schleife gehts in den Wald bei zunehmender Steigung. Die ersten Serpentinen kommen, weiter oben kommen noch weitere Sepentinen, in jetzt baumfreier Umgebung. Dann ist es geschafft, Pass eins nach knapp 1,5 Stunden bezwungen. 

Die Abfahrt zieht sich, erst auf schlechter und sehr kurviger Strecke, dann auf breiter Piste durch Allos bis zum Ortseingang von Colmars. Hier gehts gleich links zum Col de Champs. So schnell kann man gar nicht runterschalten, doch das ist unbedingt erforderlich, gehts es doch gleich ziemlich steil los. Was vor 16 Jahren schon ein Feldweg war, ist heuer noch schlimmer, an manchen Stellen gibt es mehr Schlaglöcher als Straße. Runterfahren möchte ich hier nicht, zumal es meist durch Wald geht, schlecht für die Sicht, gut zum hochfahren, weil Schatten an einem so herrlichen Sommersonnentag durchaus angenehm ist. Gut 800 m Höhe sind auf etwa 11 km zu bezwingen. Und zum ersten Mal merke ich, dass das kein Zuckerschlecken wird, kein lockeres Warmfahren über drei Pässe - habe ich das wirklich angenommen? Natürlich nicht, aber was weiß man schon bevor man es gefahren ist.

Die Gipfelpassage nach 1:13 h Passfahrt ist merkwürdig, einen Kilometer vor der Passhöhe hört der Berg auf, und bis 1 km nach dem Pass fährt man über einen breiten Sattel. Dann gehts wieder runter, auf bestem Asphalt. Was für eine tolle Abfahrt, mit zwei Flachstücken zum lockern der Hände. Bremsen ist ziemlich anspruchsvoll für einen Flachlandtiroler. In St. Martin gönne ich mir eine kleine Pause, in einer kleinen Bar wird nachgetankt für die letzten 21 km bergauf zum Col de la Cayolle. Sechs Kilometer geht es gemächlich hoch, fährt sich angenehm. In Entraunes ist der Spaß dann vorbei. Im Ortszentrum verschwindet der Mittelstreifen, die Straße wird schmaler, und steiler. In der Prallsonne schraubt sie sich nach oben, und die zurückliegenden Bergkilometer machen sich bemerkbar. Außerdem machen sich all die Probleme die ich in Norwegen nicht hatte nun immer mehr bemerkbar: einschlafende Füße und schmerzende Lendenwirbelsäule. Ich muss vom Rad, kleine Gymnastikeinlage. Einen Kilometer später gleich nochmal, ein richtiger Einbruch, ich könnte mich grad ins Gras legen und ein Nickerchen machen. Anscheind ist mein Imbiss von St. Martin noch nicht ordnungsgemäß verarbeitet und energetisch erschlossen. Zwölf Kilometer bis zur Passhöhe, wie soll das noch gehen?


Die finalen Kehren  der Südrampe des Cayolle, ziemlich steil, ziemlich geil - Blick nach oben und zurück, man weiß gar nicht wo man zuerst hinschauen soll (CC BY-SA).

Aufgeben gilt nicht, obwohl es vom Kopf her fast schwerer fällt als die 540 km nach Oslo. Mühsam quäle ich mich nach oben, Meter für Meter. Neun Kilometer vor dem Gipfel der nächste Gymnastikstop, und 4 km weiter nochmal. Jetzt bin ich aber nicht mehr alleine, drei Leidensgenossen haben sich gefunden, die die letzten Serpentinen in Angriff nehmen. Was für ein Schlussakkord, 3 km, knapp 300 Höhenmeter, einige wenige Monsterserpentinen, die da oben in die Felsen gepflanzt wurden, Hammer. Dann oben, endlich, nach gut zwei Stunden, sämtliche Vorräte aufgebraucht. Einen  Eistee sammel ich nach 1 km Abfahrt ein, dann gehts die restlichen 30 km zu Tal, erst steil, dann weniger steil durch die Gorges du Bachelard, spektakulär. Die restlichen Kilometer zurück nach Jausiers nerven dann nur noch, ich hab' keinen Bock mehr. Außerdem treffe ich auf den 7 km wohl genausoviele Autos wie auf den 133 km zuvor, ätzend. 


Blick auf den Cayolle von Norden, rechts oberhalb der Refuge stehen ein paar Wohnmobile am Pass: statt Serpentinengewirr hier sanft geschwungene Almwiesen (CC BY-SA).

Was bleibt ist die Gewissheit, dass alpines Radeln furchtbar anstrengend ist, mal schaun ob das Konsequenzen für die weitere Planung hat - immerhin stehen noch zwei Touren auf dem Programm, alle anspruchsvoller als die Trois Cols (immerhin waren das 140 km und 3,340 Höhenmeter). Außerdem waren die Pässe doch (leider) steiler als ich das in Erinnerung hatte, v.a. Champs und Cayolle haben mir ganz schön zugesetzt. Klingt jetzt eher negativ, soll aber nicht sein, denn alpines Radeln ist leider immer noch ziemlich geil, verschiedene Klima- und Vegetationszonen zu durchfahren, grandiose Aussichten zu genießen, spektakuläre Straßenkonstruktionen zu bewundern und geologische Studien zu betreiben - Falten, Störungen, etc - richtig toll.

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