Sonntag, 29. September 2013

Das Beste zum Schluss - ein Monster in Flevoland

Beat the monster – it’s out there…so heisst es im briefing zum Monstertijdrit. Und auf Radsport-Aktiv liest man: „Das Konzept ist so einfach wie abstoßend“. Und das alles trifft die Sache ziemlich gut. Schon allein die Tatsache, ein Zeitfahren über 122,55 km (76,1 miles) zu organisieren ist schon ziemlich verwegen. Als Strecke haben sich die Organisatoren die Polder in Flevoland südöstlich von Almere ausgesucht, nochmal verwegen: drei Runden a 40,85 km sind zurückzulegen, um das Monster zu besiegen, drei Runden auf einem Rechteckkurs. Von ein paar Brücken abgesehen ist der Kurs flach, und erschließt landwirtschaftliche Nutzflächen – keine größeren zusammenhängenden Waldfächen, leider. 

Denn als wenn das Monster nicht schon so hart genug ist, hat Petrus heute sein Gebläse aufgestellt. Kontinuierlich pustet es vom Start weg aus Osten in die Polder, und zwar richtig kräftig. Die ersten 2,5 km hat man deshalb erstmal Rückenwind. Und das ist gut, denn ich komme fast zu spät, keine Zeit zum warmfahren, 20 Sekunden vor meiner Zeit stehe ich am Start – die Zeitmessmatte auf einer Straße mitten in der Pampa. Nach eben jenen 2,5 km geht’s rechts um die Ecke und nun steht der Wind im Gesicht, 12 km geradeaus. Wenn die Brücken nicht wären, könnte man wahrscheinlich die nächste Kurve schon sehen. 



Zieleinlauf eines Monsterbezwingers (das bin nicht ich): Matte auf der Straße, Auto plus Computer - das ist Start und Ziel des Monstertijdrit.

Den ersten Fahrer sehe ich vor mir, toll, aber die Abstandsmessung ist ernüchternd, sieht nah aus, sind aber 2 min. Da hat also jemand schon eine Minute rausgefahren. Und auch von hinten kommen die ersten. Fröhlich werde ich überholt, von zeitfahrbehelmten, karbonisierten, scheibengeräderten Sportsfreunden. Das hier ist ein Spezialistentreffen, und ich mittendrin, herzlichen Glückwunsch. 

Nach 15 km geht’s wieder rechts um die Ecke und dann bläst der Wind von links in die Strecke. Zum Glück gibt’s ein paar Hecken. Nach 23 km geht’s auf die Gegengerade, 12 km Rückenwind. Während ich gegen den Wind manchmal Mühe habe, 20 km/h zu halten, geht’s bei Rückenwind auch schon mal mit  41 km/h dahin. Nach einer guten Stunde biege ich das erste Mal auf die Zielgerade, 5 km lang, wieder schnurgeradeaus. Landschaftliche Reize sucht man vergebens, kann man den Kopf auch unten lassen, ist eh besser für den Nacken. Mit 31,5 km/h beende ich die erste Runde, und weiter geht’s. 



Zielgerade des Montsertijdrit, und gleichzeitig typisches Bild der Flevolandpolder am 29.9.: unten grün, oben blau und mittendrin eine sehr frische Brise aus Ost.

Mir scheint, der Wind ist stärker geworden. Nach 50 km passiert was ich nicht für möglich gehalten habe: ich überhole zwei vor mir gestartete Mädels, na immerhin, Gesamtletzter werde ich wohl nicht. Heilfroh bin ich, als ich die Gegengerade zum zweiten Mal erreiche. Streckenhalbzeit nach 2:03, bei noch 2 ausstehenden Rückenwindabschnitten sollte ich damit deutlich unter 4 Stunden bleiben. Es sollte anders kommen….als ich das nächste Mal meine Nase in den Gegenwind stecke wird mir sofort klar, es geht nur noch ums ankommen, fieser Wind. Dann löst sich einer meiner Aeroaufsätze, toll, anhalten, festschrauben, weiter. Dann stelle ich fest, dass ich mein Vorderrad verkehrt eingebaut habe, Wurscht, ich quäle mich weiter, schreie den Wind an, seinen Betrieb einzustellen, zwecklos. 

Irgendwann ists geschafft, für die letzten knapp 20 km heisst es Segel setzen und ins Ziel. Pustekuchen, mein Oberschenkel macht zu, ein Krampf, und was für einer. In einer Einfahrt krabbel ich mühsam vom Rad und dehne das lädierte Bein. Ein netter Herr vom OK hält an und unterstützt mich beim Dehnen. Ich versuche es wieder, rolle locker weiter, es geht. Ich bleibe beim locker rollen und versuche möglichst ohne Kraftaufwand ins Ziel zu kommen. Die 4 Stunden sind natürlich jetzt Makulatur. Mit einem Schnitt von unter 30 km/h rolle ich über die Zielmatte, geschafft, ich habe das Monster besiegt. Es hat sich zwar gewehrt, mit Händen und Füßen, aber ich habe es besiegt, nicht mehr und nicht weniger. Noch gibt es keine Ergenbisliste (reiche ich nach), aber ich würde mich wundern wenn hinter mir noch viel Platz auf der Liste ist - der Beste kommt eben zum Schluss...;-).

Und jetzt gibt es auch die offiziellen Ergebnisse: 98. Platz, hooray, von 101 gewerteten. Dabei war ich nach Runde 1 noch 116. - da haben es wohl einige nicht bis ins Ziel geschafft. Die letzte Runde war so richtig unterirdisch, 24.88km/h, über 20 min langsamer als in Runde 1. Aber wenn man auch minutenlang auf nem Bauernhof hockt um sein Bein zu reaktivieren....

Das war auf jeden Fall eine einmalige Erfahrung, in jeder Hinsicht, gemacht haben, jawohl, aber eben nur ein Mal. Konditionell hätte ich hier noch ne Schippe draufpacken können, kein Problem, aber ohne Kraft in den Beinen funktioniert das nicht. Aber wo soll sie auch herkommen: seit Wochen sitz ich nur 1x die Woche auf dem Rad. Das reicht für Ausdauerfahrten vollkommen, aber nicht für lange Rennen im Grenzbereich. Ich musste also auch dieses Mal Julia enttäuschen: Papa hat nicht gewonnen….aber letztendlich hat er doch gewonnen, ein tolles Sportjahr geht zu Ende. Coole Events habe ich gesehen, Amstel Gold Race, Beachrun, Triathlon Binnenmaas und meine Geburtstagstour – meine spontanen Highlights. Ein Dank an dieser Stelle an meine Familie, die meine Eskapaden entweder mitmacht oder mich machen lässt. Das ist grandios!

2 Kommentare:

  1. Hallo Henning , schöner Bericht und tapfer gekämpft.

    Nur einmal mitmachen und nie wieder, hatte ich Sonntag nach Zieleinfahrt auch gedacht.
    ABER.......2014 werde ich wieder starten, es war hart aber mit den neuen Erfahrungen kann es nur besser werden und vielleicht kommt auch bei Dir die Erkenntnis,
    das Monster ärgere ich nochmal :-)

    gruß
    Mike aus Bayern

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    1. Danke! Vielleicht hast du recht, das Monster nochmal zu ärgern. Vielleicht nehm ich auch im naechsten Jahr mal die Almere Challenge mit. Ist ja alles fuer mich um die Ecke - wohne in Den Haag. Schaun mer mal...schöne Grüße nach Bayern.

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